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"Was offenbart eine Krise?"

2 so erfüllt meine Freude, dass ihr dieselbe Gesinnung und dieselbe Liebe habt, einmütig, eines Sinnes seid,
3 nichts aus Eigennutz oder eitler Ruhmsucht ⟨tut⟩, sondern dass in der Demut einer den anderen höher achtet als sich selbst;
(Phil 2:2-3, Elb)

Was offenbart eine Krise?

Zur besseren Übersicht wurden die Beiträge von Wilhard Becker in Normalschrift und die von Kristin Becker kursiv gedruckt.

Die Krise macht offenbar, daß beide Partner nicht die Reife haben, die sie zur Bewältigung der kritischen Situation brauchen. In dieser gleichen Ausgangsposition liegt eine Chance.
Die Persönlichkeitsreifung kann erst ihren Anfang nehmen mit der Bereitschaft, sich selbst in den Bereichen anzuschauen, die noch nicht erwachsen werden konnten. Sie setzt allerdings voraus, daß ich mich selbst akzeptiere und liebe, denn erst dann kann ich auch meinen Partner annehmen und lieben. Gebrauche ich diesen zur Ergänzung und Erweiterung meiner Person oder als Stütze, als Stolz oder als mein Zuhause, dann ist das zu wenig. Ich muß Stütze, Stolz und Zuhause in mir selbst finden und das nicht alles vom Partner erwarten. Die Krise ist zur Chance geworden, wenn ich den anderen so annehmen kann, wie er wirklich ist, und nicht nur so, wie ich ihn gern für mich selbst hätte.

Kristin schreibt:
„Gleiche Position“ - das ist so ein Stichwort für mich. Ich fühle mich eigentlich immer unterlegen und wehrte mich doch zutiefst dagegen. Ich konnte es mir nicht leisten, Fehler und Schwächen zuzugeben. In mancher Hinsicht war ich auch fest von mir überzeugt, geriet aber leicht in Zweifel, wenn die Anerkennung von seiten meines Mannes ausblieb. Ich fand ihn einfach besser als mich. Er war mein Stolz. Ich schmückte mich mit ihm. Er war meine „bessere Hälfte“.

Zur Persönlichkeitsreifung gehört eine zunehmende Selbständigkeit. Diese äußert sich in der Ehe darin, das eigene Glück nicht vom anderen zu erwarten und zu fordern, und in der Fähigkeit, mit unbefriedigten Bedürfnissen und Wünschen selbständig umzugehen.

Kristin:
Ich erwarte mein Glück von Wilhard und litt darunter, daß ich ihn nicht so glücklich machen konnte, wie ich das gern getan hätte. Eines Tages ging mir auf, daß ich alles, was ich erlebe, in Relation zu ihm setzte! Ich war in meinem Lebensgefühl völlig abhängig von ihm.


Nur wer die Verantwortung für sein eigenes Leben übernommen hat, kommt weg vom Reagieren auf den anderen, weg von den Echowirkungen auf Äußerungen und Verhaltenweisen des Partners. Er lernt, das zu tun und zu entscheiden, was ihm in seiner Situation richtig und verantwortungsvoll erscheint. Er besitzt die Fähigkeit, den Aufgaben und Problemen nicht auszuweichen, sondern sie anzugehen und Wege für ihre Lösung zu suchen.

Kristin:
Ich dachte, man ist verheiratet, um alles miteinander zu erleben. Ich weigerte mich innerlich, mich von meinem Mann zu distanzieren. Selbstverantwortung ist ein großes Wort. Ich möchte lernen zu differenzieren zwischen dem, was ich selbst entscheiden muß (und das ist das meiste), und dem, was wir nur zuammen entscheiden können.


Die Liebesfähigkeit ist ein wichtiges Merkmal der Reife. Der Anfänger im Lieben liebt, weil er nicht anders kann, weil ihm der andere so leibenswert erscheint. Er liebt aus Faszination. Aber durch Belastungen und Enttäuschungen wird die Liebe zur Reife herausgefordert und vertieft. Ich liebe dann, weil ich lieben will, weil ich den anderen zu meinem Partner gewählt habe und weil ich Enttäuschungen bejahe. Enttäuschungen können zu einem vertieften Kennenlernen und zu einer umfassenderen Annahme führen und nicht zur zum Akzeptieren seiner guten, für mich angenehmen und liebenswürdigen Seiten.

Kristin:
Liebe aus Faszination ist unbestritten am schönsten. Aber wenn es nun aus ist mit der Faszination? Wenn ich „aus den Wolken gefallen bin, muß ich mich auf der Erde orientieren und meine Wanderung zur nächsten Oase antreten.
Ich habe mich lang gegen dieses „Lieben aus Willen“ gewehrt. Ich fand es entwürdigend. So ein Person bin ich also, daß man sich anstrengen muß, mich zu lieben? Ja, man muß. Jedenfalls wenn man mit mir so eng zusammenlebt wie in einer Ehe! - Ich habe meine Schattenseiten angenommen und stelle selbst nicht mehr den Anspruch an mich, immer faszinierend zu sein. Das ist eigentlich sehr viel weniger anstrengend.


Wer in der Krise davonläuft, hat sie überbewertet. Wer sie ignoriert, geht leichfertig mit ihr um. Man kann mit Krisen umgehen, indem man sie einfach ignoriert, nach außen Sonnenschein spielt und die Schattenseiten vor andern verbirgt.

Kristin:
Das passiert sehr schnell. Gerade hat man sich noch über solche aufgeregt, die anderen dauernd etwas vormachen, da stellt man verblüfft fest, daß man selbst nicht besser ist. Ich hatte für mein Verhalten aber plausible Gründe:
Ich kann doch die Leute nicht enttäuschen, für die ich ein Vorbild bin. Die Krise betrifft ja nicht die ganze Person, nur einen Teilbereich. Warum nicht mit dem intakten Teil fröhlich weiterleben? Das ist doch nicht unehrlich. Außerdem läßt sich nicht alles durch Reden klären.
Aber in erster Linie konnte ich mir meine Not selbst nicht eingestehen. Zum Therapeuten mag man auch nicht gleich rennen. So schlimm wird es wohl nicht sein. Vielleicht kommen wieder bessere Zeiten. Auf Regen folgt Sonne. Das geht niemand außer uns zwei etwas an.


Viele vermeiden auch eine Krise, indem sie sich dem Partner so anpassen, daß dieser in dem Bewußtsein lebt, alles sei in Ordnung, während der Angepaßte stille vor sich hin leidet – manchmal aus Angst vor Veränderungen.

Kristin:
Ich empfinde das nicht als gesunde Rücksichtnahme, sondern als übertriebenes Harmoniebedürfnis oder auch als Angst vor sich selbst. Irgendwie kriege ich es dann doch ab. Die Resignation sucht sich ihr Ventil an anderer Stelle: in bissigen Bemerkungen beispielsweise oder in unauffälligeren kleinen Racheakten, die die Beziehung verwirren. Aber manchmal spüre ich einen Konflikt auch nur, kann ihn aber nicht benennen.


Man kann die Krise auch zu einer Dauereinrichtung machen und sich an Streit, Auseinandersetzungen und an den ständigen Kleinkrieg so gewöhnen, daß eine Nötigung zur Änderung überhaupt nicht mehr besteht. Eine solche neurotische Beziehung kann sehr dauerhaft sein. Sie ist allerdings alles andere als ein Glück zu zweit.
...
(Wilhard Becker, „Füreinander begabt“, 1985)


Verfasst: 26.12.2024, 15:02 Uhr

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