67 Ehe ich gedemütigt wurde, irrte ich; nun aber befolge ich dein Wort.
68 Du bist gut und tust Gutes; lehre mich deine Anweisungen! (Ps 119:67-68, Schlachter)
67. Ehe ich gedemütigt ward (durch Leiden gebeugt war), irrte ich. Die Leiden wirken auf uns oft
wie eine Dornenhecke, die die Schafe auf dem guten Weideplatz zurückhält; der Wohlstand hingegen ist wie eine Lücke im Gehege, durch die wir ausbrechen, um dann in die Irre zu gehen. Kann einer von uns sich auf eine Zeit besinnen, die ganz ohne Schwierigkeiten war, so wird er sich wahrscheinlich auch dessen erinnern, dass es damals mit dem geistlichen Leben bei ihm schwach bestellt war, dass es hingegen an starken Versuchungen nicht fehlte. Mag sein, dass manches Gotteskind ausruft: "O dass es mit mir wäre wie in jenen lichten Sommertagen, ehe die Trübsal über mich kam." (Vergl. Hiob 29,2-4 Grundtext) Aber solche Stoßseufzer sind in Wahrheit sehr unverständig und entspringen vielfach der fleischlichen Lust nach Wohlbehagen und einem bequemen, leichten Leben. Der geistliche Mensch, der das Wachsen in der Gnade über alles schätzt, wird Gott danken, dass jene gefährlichen Tage vorüber sind und das Wetter, wenn auch stürmischer, jetzt doch gesünder ist. Es ist gut, wenn der Mensch solches einsieht und ehrlich zugibt; vielleicht würde der Psalmist nie dahin gekommen sein, seine Irrwege zu erkennen und zu bekennen, wenn er nicht die Zuchtrute zu fühlen bekommen hätte. Und wir wollen ihm in dem demütigen Bekennen nachahmen, da wir ihm ohne Zweifel in den Verfehlungen und Irrwegen ähnlich geworden sind. Woher kommt es doch, dass ein wenig Wohlleben bei uns Menschenkindern so viel Unheil anrichtet? Können wir wirklich nie rasten, ohne zu rosten, nie satt werden, ohne das Maß zu verlieren, nie vorankommen in dieser Welt, ohne in Bezug auf die andere zurückzugehen? Was für schwache Geschöpfe müssen wir doch sein, dass wir nicht ein bisschen Wohlsein ertragen können! Wie niedrig gesinnte Wesen sind das doch, die den Reichtum der Güte Gottes in einen Anlass zum Sündigen verkehren!
Nun aber halte ich dein Wort. In einem Herzen, dem die Züchtigung zum Segen gereicht, ist offenbar die Gnadeam Werk. Wirklich unfruchtbaren Boden zu pflügen ist verlorene Mühe. Wo kein geistliches Leben vorhanden ist, da wirkt auch die Trübsal keinen geistlichen Gewinn; wo aber das Herz gesund ist, da weckt die Heimsuchung das Gewissen, dass man seine Irrwege bekennt, und die Seele kehrt wieder zum Gehorsam zurück und bleibt nun unter dem Wort. Keine Geißel verwandelt einen Empörer in ein gehorsames Kind; dem rechten Kinde aber dient ein Streich mit der Rute zu entschiedener Besserung. Bei unserem Psalmdichter bewirkte die Arznei der Trübsal eine Veränderung: "aber", und zwar eine sofortige Veränderung: "nun", eine dauernde, weil innerliche Veränderung: "halte ich", eine auf Gott hin gewendete Veränderung: "dein Wort ". Vor seiner Demütigung ging er in der Irre, nun aber bleibt er in der Hürde des Wortes Gottes und findet da gute Weide für seine Seele. Das Leiden hielt ihn wie der Weidezaun die Schafe an dem Orte fest, wo es für ihn am besten war; es bewahrte ihn im Gehorsam, und nun bewahrte er Gottes Wort. Gar mannigfach ist der köstliche Nutzen des Leides, und ein Gewinn ist der, dass es unserer Neigung, dem HERRN davonzulaufen, einen Zaum anlegt und uns zur Heiligung antreibt.
(Charles Haddon Spurgeon)
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